Interview
Home > Eigenständige JugendpolitikStadtplanung jung gedacht: Freiräume und Beteiligung

(26.04.2023) Welche Bedürfnisse junge Menschen bezüglich ihres Wohnumfeldes haben und wie diese bei der Städtebauplanung berücksichtigt werden können beschreibt Madeline Kaupert, Referentin im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), in diesem Interview.

Sicht von oben auf ein Städtebaumodell Sicht von oben auf ein Städtebaumodell
Foto: David McBee via pexels.com

Das Programm „Sozialer Zusammenhalt - Zusammenleben im Quartier gemeinsam gestalten“ will die Wohn- und Lebensqualität erhöhen und den Zusammenhalt in der Nachbarschaft stärken. Welche Rolle spielen junge Menschen dabei?

In den Quartieren des Programms „Sozialer Zusammenhalt“ wohnen überdurchschnittlich viele junge Menschen. Gleichzeitig handelt es sich um Gebiete, in denen die Menschen ein im Vergleich geringeres Einkommen haben, der Anteil Alleinerziehender und ausländischer Personen ist höher. Die Städtebauförderung kann zur Entwicklung der jungen Menschen und zur Entlastung von Familien beitragen, indem sie Räume für Kinder und Jugendliche schafft. Das können Freiräume zum Treffen von Gleichaltrigen sein, aber auch soziale Anlaufstellen, um Hausaufgaben zu machen oder Probleme zu besprechen. Die Städtebauförderung kann dabei die Räume schaffen, es ist aber für Kommunen auch wichtig, eine langfristige Finanzierung der sozialen Angebote mitzudenken.

In Ihrer städtebaulichen Begleitforschung widmen Sie sich auch sozialwissenschaftlichen Fragen. Wie sieht demnach „Junges Wohnen“  aus und welche Bedürfnisse haben junge Menschen?

In der städtebaulichen Begleitforschung haben wir uns noch nicht explizit mit diesen Fragen beschäftigt. Die Forschung zeigt aber, dass junge Erwachsene in der Phase von Studium und Ausbildung in die Städte ziehen, besonders in die Innenstädte. Sie bevorzugen also ein urbanes Umfeld mit vielen Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung. In späteren Lebensphasen, zum Beispiel mit der Familiengründung, ziehen die Menschen ins Umfeld der Städte oder in ländlichere Gebiete. Was die Bedürfnisse an das Wohnumfeld angeht, sind junge Menschen stärker als in anderen Lebensphasen auf öffentliche Räume und Infrastruktur angewiesen. Sie fahren eher mit dem Rad oder dem öffentlichen Nahverkehr. Und weil sie in der Regel kleinere Wohnungen und keinen eigenen Garten haben, sind nahe Grünflächen und Sportmöglichkeiten wichtig. Die Städtebauförderung kann hier ansetzen und dabei helfen, den öffentlichen Raum attraktiv zu gestalten. 

Welche Rolle spielt es Ihrer Ansicht nach, die Jugend beim Städtebau, in der Planungspolitik und bei der Ausgestaltung von Quartieren mitzudenken?

In der Stadtentwicklung sollen alle Themen und Zielgruppen mit ihren Bedürfnissen bei der Planung berücksichtigt werden, man spricht dabei vom „integrierten Ansatz“. In der Kommune sollten dazu alle Akteure einbezogen werden, neben dem Stadtplanungsamt also zum Beispiel auch das Jugend- oder Sozialamt. Die Umsetzung des integrierten Ansatzes ist natürlich nicht immer einfach. Mein Eindruck ist aber, dass viele Kommunen ein großes Interesse daran haben, Jugendliche und junge Erwachsene auch ganz direkt einzubeziehen. Sie sind schließlich diejenigen, die die gebaute Infrastruktur einmal nutzen sollen. Eine Kommune, die wir als Fallstudie begleiten, hat zum Beispiel berichtet, dass die Jugendlichen im Ort sich einen Pumptrack gewünscht haben. Das ist ein Rundkurs zum Mountainbike fahren. Die Gemeinde hat die Idee aufgegriffen, der Pumptrack wird jetzt gebaut.

Wie können die Bedürfnisse und Interessen junger Menschen in (Bau)Vorhaben einfließen und werden dafür Beteiligungsstrategien genutzt? (Welche?)

Bürgerbeteiligung ist bei städtebaulichen Projekten vorgeschrieben. Dabei kann es vorkommen, dass bei Informationsveranstaltungen im Rathaus „immer die gleichen drei Gesichter“ auftauchen, so hat es mal ein Vertreter einer Kommune formuliert. Um mehr Menschen zu erreichen, insbesondere auch Jüngere, muss man etwas kreativer werden. Die Ansprache über Institutionen wie Schulen oder Vereine kann hilfreich sein, ebenso die Einbettung in Veranstaltungen wie Stadtteilfeste. Am besten ist es sicher, wenn es ein Projekt gibt, das die jungen Menschen unmittelbar betrifft. Das Beispiel Pumptrack zeigt, dass junge Menschen mitunter aber auch Ideen haben, die noch gar nicht „auf dem Radar“ der Planung oder der Politik sind. Daher ist es generell wichtig, dass Beteiligung frühzeitig stattfindet – zu einem Zeitpunkt, an dem man noch offen für alle Vorschläge ist.

Zur Person

Madeline Kaupert

Madeline Kaupert ist Referentin im Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Dort beschäftigt sie sich mit Forschung zu den Themen Städtebauförderung und soziale Stadtentwicklung, insbesondere zum Programm „Sozialer Zusammenhalt“. Das BBSR unterstützt als Ressortforschungseinrichtung das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) durch wissenschaftliche Politikberatung bei Aufgaben des Wohnungs-, Immobilien- und Bauwesens sowie der Stadt- und Raumentwicklung.

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