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(13.05.2020) Die Bundesregierung hat den Dritten Engagementbericht beschlossen, welcher sich schwerpunktmäßig mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf Teilhabe und Engagement beschäftigt.

Mensch streicht Zaun an Mensch streicht Zaun an
Foto: D. Chekalov via unsplash

Der Bericht, welcher aus einem Gutachten einer unabhängigen Sachverständigenkommission und der Stellungnahme der Bundesregierung besteht, ist auf den Seiten des BMFSFJ abrufbar. Das Engagement junger Menschen zwischen 14 und 27 Jahren wurde dabei besonders in den Blick genommen. 

Die Kernaussagen des Engagementberichts sind: 

  • Ein relevanter Anteil des Engagements junger Menschen findet inzwischen digital vermittelt statt. Bestehende Formen des Engagements werden durch Formen digitalen Engagements nicht ersetzt, sondern ergänzt.
  • Digitalität erweitert nicht nur die Formen, sondern auch die Inhalte des Engagements. Digitalisierung wird zudem selbst zum Thema von Engagement.
  • Für Engagement-Organisationen stellt die Digitalisierung einen Strukturwandel dar. Auf diesen Strukturwandel reagieren Organisationen sehr unterschiedlich: Einige von ihnen sehen vor allem Herausforderungen, andere in erster Linie Potenziale.
  • Digitale Plattformen werden im Engagementsektor zunehmend wichtiger. Eine einheitliche, allgemeingültige Plattformlogik lässt sich derzeit nicht erkennen. Vielmehr gibt es eine Bandbreite in den Arbeits- und Finanzierungsweisen von Plattformen des Engagements.
  • Es zeichnet sich eine Entwicklung in Richtung einer digitalisierten Zivilgesellschaft ab. Darin gestalten zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure zunehmend aktiv den Prozess der gesamtgesellschaftlichen Digitalisierung mit.

Die Befragung von knapp über 1.000 Jugendlichen zeigen, dass sich knapp 2/3 der Befragten in den letzten zwölf Monaten für einen gesellschaftlichen Zweck engagiert haben und neben den klassischen Organisationen (64,2 Prozent der Engagierten) auch informelle Gruppen (30,3 Prozent) sowie online organisierte Gruppen (21,9 Prozent) relevante Orte des Engagements sind. 43,2 Prozent der engagierten Befragten sind dabei mindestens teilweise digital engagiert, 17,1 Prozent sogar überwiegend oder vollständig. Die Gründe für digitales Engagement sind dabei vielfältig, wie die folgende Grafik zeigt (S. 14 des Engagementberichts):

Gründe für digitales Engagement. Quelle: Dritter Engagementbericht der Bundesregierung

Der Engagementbericht betrachtet noch verschiedene Formen digitalen Engagements und die Rolle von Engagement-Organisationen in der Gestaltung des digitalen Wandels sowie die Bedeutung digitaler Plattformen. Die Sachverständigen formulieren Ziele für eine Engagementpolitik und schließen mit Handlungsempfehlungen:

Ziele:

  • Etablierte und digitale Engagementformen und -kulturen besser verbinden und das Engagement junger Menschen wertschätzen
  • Wirksamkeit von Beteiligungsrechten stärken – flächendeckend gleiche Voraussetzungen und Zugangsmöglichkeiten für das Engagement schaffen
  • Neue Bildungsunterschiede vermeiden, bestehende Spaltungen verringern
  • Digitale Aspekte in der pädagogischen Arbeit ermöglichen und stärken sowie die Entwicklung neuer Kompetenzen des Lehrpersonals vorantreiben
  • Forschung zu Medienhandeln von Jugendlichen und digitalem Engagement stärken
  • Organisationen, die sich für die Digitalisierung der Zivilgesellschaft als Organisationszweck engagieren, unterstützen
  • Unterstützungsstrukturen schaffen, die Organisationen befähigen, die Digitalisierung für sich zu nutzen
  • Strukturförderung für die Digitalisierung des Engagementsektors einrichten
  • Vielfalt von Plattformmodellen im Engagementsektor fördern
  • Plattformen als kollektive Akteure mit gesellschaftlicher Verantwortung wahrnehmen und ihre Vernetzung unterstützen

Maßnahmen zur Umsetzung dieser Ziele:

  • Stärkere Würdigung des digitalen Engagements Jugendlicher durch öffentliche Wettbewerbe oder die Einführung einer Kategorie „digitales Engagement“ beim Deutschen Engagementpreis. Einrichtung von jungen digitalen Beiräten in politischen Institutionen und Engagement-Organisationen. 
  • Förderprogramme zur Entwicklung digitaler Beteiligungstools mit leichter Bedienbarkeit (und leichter Sprache), damit Organisationen leichtere Einstiegswege und attraktive Beteiligungsangebote für junge Menschen anbieten können. Systematische Beratungsangebote und Angebote zur Vernetzung für Organisationen im Kontext (digitaler) Engagementmöglichkeiten.
  • Finanzielle und fachliche Unterstützung bei der Entwicklung von Foren und Formaten zur Vernetzung von engagierten Jugendlichen mit digitalem Know-how und dem organisierten Engagement, um sich über Erfahrungen, Problemlagen und Lösungsansätze auszutauschen
  • Schnelles und flächendeckendes Internet für alle Regionen. Einrichtung eines zweckgebundenen Engagementfonds – ähnlich zu Strukturfördermaßnahmen für den ländlichen Raum – zur Stärkung digitaler Angebote in diesen Regionen.
  • Übergreifende Initiierung und nachhaltige Verfolgung von Maßnahmen zur internen wie externen Digitalisierung von Ministerien und Bundesbehörden. Die Daten von öffentlichem Interesse von Ministerien und Behörden in nutzer- und datenschutzfreundlicher Weise zugänglich und verwendbar machen.
  • Stärkung von Schulen als zentrale Orte, um die Möglichkeiten gesellschaftlichen Engagements und politischer Beteiligung als Teil des gesellschaftlichen Zusammenlebens erfahrbar zu machen. Politische Bildung, EngagementErleben und der Erwerb reflexiver medialer Kompetenzen stärker als bislang in das Unterrichtsgeschehen integrieren.
  • Stärkere Gewichtung von politischer Bildung in Kombination mit Medienbildung in der Breite der Bildungsinstitutionen und der außerschulischen Jugendarbeit. Angesichts der Zunahme von Desinformationskampagnen und der Verbreitung antipluralistischer Ideologien sind diese Institutionen gefordert, Inhalte und Arbeitsformen zu entwickeln, die die Reflexionsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger stärken.
  • Förderung von wissenschaftlicher Forschung, die aktuelle Befunde der jugendbezogenen Digitalisierungs- und Engagementforschung berücksichtigt. Daraufhin sollten pädagogischdidaktische Konzepte entwickelt werden, die die Vermittlung entsprechender digitaler und bürgerschaftlicher Kompetenzen unterstützen.
  • Konsequente Integration von Inhalten zur Steigerung des Reflexionsvermögens von Kindern und Jugendlichen in Bezug auf mediale Möglichkeiten und Herausforderungen in die pädagogische Aus- und Weiterbildung. Pädagoginnen und Pädagogen somit ermöglichen, über mediale Risiken und Herausforderungen im Kontext gesellschaftlichen Engagements aufzuklären.
  • Fördermaßnahmen zur Unterstützung von Akteurinnen und Akteuren im Feld der digitalen Bildung, die sich mit der Entwicklung von Medienkompetenzen von Jugendlichen auseinandersetzt. Diese Akteurinnen und Akteure sollten stärker mit anderen Bildungsinstitutionen, zum Beispiel Schulen, zusammenarbeiten.
  • Förderung von Einrichtungen der offenen Jugendarbeit und Formen der aufsuchenden Jugendarbeit. Dies erfordert zwingend sowohl eine leistungsfähige digitale Ausstattung als auch eine bedarfsgerechte Personaldecke sowie eine entsprechende Ausbildung der Pädagoginnen und Pädagogen.
  • Bereitstellung von Forschungsmitteln für regelmäßige qualitative und quantitative Datenerhebungen und -auswertungen, um neue Phänomene im Feld des digitalen und nicht digitalen Engagements (wie innovative Engagementformen, unziviles Engagement) frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen erarbeiten zu können
  • Forschung zu sozialer Ungleichheit im Bereich des digitalen gesellschaftlichen Engagements sowie zu wirksamen Lösungsansätzen. Dabei müssen neben bildungsbezogenen auch weitere Ungleichheitsdimensionen wie Migration, Behinderung, Einkommen in den Blick genommen werden.
  • Integration von Digitalisierungsaspekten des gesellschaftlichen Engagements in andere Engagement-relevante Berichte und Forschungsvorhaben; zum Beispiel durch Berücksichtigung des digitalen Engagements als Untersuchungsbereich im Deutschen Freiwilligensurvey
  • Spezielle Förderlinien für Organisationen und Initiativen, die sich gemeinwohlorientiert für die Digitalisierung des Engagementsektors einsetzen. Dies schließt die Förderung von digitalen Technologien und Werkzeugen mit ein. Besonders Projekte aus dem Bereich Civic Tech erweisen sich hier als vielversprechend.
  • Unterstützung von Digitalisierungsprozessen in Engagement-Organisationen durch den Aufbau von Beratungs- und Vernetzungsstrukturen, die Organisationen finanziell und personell entlasten. Dies betrifft die Entwicklung und Einrichtung frei nutzbarer Systeme zur Digitalisierung von Organisationsabläufen.
  • Förderung der Entwicklung und Betreuung einer aus einzelnen Komponenten bestehenden Open-Source-Infrastruktur für Plattformen. Ein modularer Aufbau ermöglicht es Engagement-Organisationen außerdem, Plattformkomponenten an ihre spezifischen Bedarfe anzupassen und mit ihnen zu experimentieren. • Förderung des Erfahrungsaustauschs über den Umgang mit Digitalisierung zwischen unterschiedlich digital affinen Engagement-Organisationen. Bestehende Formate wie etwa der Digital Social Summit können hier richtungsweisend sein.
  • Erschließung der Nutzungspotenziale öffentlicher und Engagement-spezifischer Daten durch die Förderung von Kooperationen zwischen Engagement-Organisationen und Datenanalystinnen und -analysten. Aufbau von Infrastrukturen für die Speicherung, Aufbereitung und Verfügbarmachung von relevanten Datensätzen.
  • Aufbau regionaler und thematischer Kompetenzzentren in Form von Beratungs-, Vernetzungs- und Interessenvertretungsangeboten zur langfristigen und niedrigschwelligen Förderung der Digitalisierung des Engagementsektors in der Fläche. Zusammenschluss der Kompetenzzentren in einem bundesweiten Kompetenznetzwerk, welches übergreifende Forschungsfragen und Bedarfe an der Schnittstelle von Technik und Organisation benennt und sich für Digitalisierungsbelange von Engagement-Organisationen einsetzt.
  • Fortlaufende wissenschaftliche Beobachtung und Analyse der Aktivitäten globaler digitaler Plattformen, um mögliche positive wie negative Entwicklungen für das Engagement und die Tätigkeiten von Engagement-Organisationen und -Plattformen zu identifizieren und gegebenenfalls politische Maßnahmen entwickeln zu können
  • Überprüfung und Neuformulierung der Kriterien für die Anerkennung von Gemeinnützigkeit. Die Definition gemeinnütziger Zwecke in der Abgabenordnung muss erweitert werden, um neuen Typen des Engagements, wie etwa Engagement-Plattformen, Rechnung zu tragen.
  • Entwicklung nationaler Koordinationsstrukturen der für den Engagementbereich relevanten großen und kleinen Plattformen. Eine Dachorganisation sollte einen regelmäßigen Austausch herstellen und vor allem Kooperationspotenziale entwickeln.
  • Überprüfbarkeit von Vermittlungszielen (wie etwa Spenden) auf Plattformen im Engagementsektor und Sanktionierbarkeit bei Verletzung der Vermittlungsziele. Plattformen sollten Best Practices formulieren, die geeignet sind, die Schadensrisiken zwischen Plattformen und Nutzenden besser auszubalancieren, um ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden.

Quelle: Dritter Engagementbericht der Bundesregierung, abgerufen am 13. Mai.