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Home > Eigenständige JugendpolitikJugendinteressen in Vertragsentwurf gestärkt

(30.11.2021) Der Entwurf des Koalitionsvertrags zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP für die 20. Wahlperiode würde die Interessen Jugendlicher insbesondere durch mehr Beteiligungsrechte stärken.

Stapel Dokumente, Foto: Sharon McCutcheon / unsplash.com Stapel Dokumente, Foto: Sharon McCutcheon / unsplash.com
Stapel Dokumente, Foto: Sharon McCutcheon / unsplash.com

Der Entwurf des Koalitionsvertrages sieht unter anderem eine Stärkung der Kinderrechte (für alle Menschen bis 18 Jahre) und ein stärkeres Monitoring der UN-Kinderrechtskonvention vor. Zudem soll ein Nationaler Aktionsplan für Kinder- und Jugendbeteiligung die Jugendstrategie der Bundesregierung weiterentwickeln, Qualitätsstandards für wirksame Beteiligung besser bekannt machen, Kinder- und Jugendparlamente und Beteiligungsnetzwerke stärken. Auch sollen junge Menschen stärker über ihre Rechte und Beschwerdemöglichkeiten aufgeklärt werden. Diverse Programme sollen Bewegung, Kultur und Gesundheit fördern, die internationalen Angebote insbesondere für junge Menschen in Berufsausbildung gestärkt werden, Freiwilligendienste ausgebaut werden und das SGB VIII im Sinne einer inklusiven Jugendhilfe angepasst werden. Heim- und Pflegekinder sollen künftig ihre eigenen Einkünfte komplett behalten und bessere Bildungs- und Berufsberatung in Anspruch nehmen können. Für wohnungslose Jugendliche sollen u.a. mit Housing First - Konzepten bessere Förderungen etabliert werden.

Ebenfalls auf dem Programm der Koalitionsparteien steht die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre sowie die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz; für beide Vorhaben müssen die Koalitionsparteien jedoch noch andere Parteien überzeugen, da diese eine 2/3 Mehrheit in Bundestag und Bundesrat benötigen. 

Die ersten Reaktionen aus der jugendpolitisch engagierten Zivilgesellschaft bewerten einige der geplanten Maßnahmen positiv, üben aber auch Kritik:

Der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) begrüßt, dass junge Menschen mit gleichen Lebenschancen aufwachsen sollen, unabhängig ihrer Herkunft. Zudem wird die Ankündigung von mehr Jugendbeteiligung und die stärkere Betonung des Kinderwohls sowie die Aufklärung über Rechte und Beschwerdemöglichkeiten anerkannt. Für die Weiterentwicklung der Jugendstrategie positioniert sich der DBJR als verlässlichen Partner. Die angekündigte bedarfsgerechte Ausstattung des Kinder- und Jugendplans  des Bundes muss sich für den DBJR in einem klaren Ausbau und in einer regelmäßigen automatischen Anpassung an die allgemeine Preisentwicklung und neue Aufgaben ausdrücken. Zudem müssten die Förderkriterien für Jugendverbandsarbeit weiterentwickelt werden. Lücken sieht der DBJR jedoch auch im Koalitionsvertrag: Es fehle ein Gesamtblick auf junge Menschen, ihre Themne und Anliegen sowie Selbstorganisationen. Der Bundesjugendring hofft daher auf die vielen jungen Abgeordneten in den künftigen Regierungsfraktionen, welche die Interessen und Bedarfe junger Menschen in den Mittelpunkt stellen und ressortübergreifende eigenständige Jugendpolitik vorantreiben sollten.

UNICEF Deutschland betont die Stärkung der Kinderrechte im Entwurf des Koalitionsvertrags, insbesondere die geplante Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz und den Ausbau der Partizipationsmöglichkeiten durch den Nationalen Aktionsplan. Gleichzeitig nimmt UNICEF die geplante neue Regierung in Verantwortung, die Vorhaben in eine kohärente, ressortübergreifende Politik zu gießen, die auch Länder, Kommunen und Teile der politischen Opposition mitnimmt. Besonderer Schwerpunkt sollte dabei auf den am meisten benachteiligten Kindern, Jugendlichen und ihren Familien liegen. Zudem sollten auch im neuen wissenschaftlichen Pandemierat der Bundesregierung die Perspektiven von Kindern und Jugendlichen besondere Beachtung finden.

Das Deutsche Kinderhilfswerk (DKHW) hebt ebenfalls eine Reihe von Maßnahmen hervor, welche aus Sicht des DKHW die Situation junger Menschen und ihrer Familien verbessern können - insbesondere die Kindergrundsicherung, die Wahlalterabsenkung auf 16 Jahre und die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz. Auch die geplante Stärkung von Kinder- und Jugendparlamenten wird begrüßt, notwendig seien aber auch bessere Beteiligungsstrukturen in Kita, Schule und Jugendhilfe. Der Nationale Aktionsplan wird ebenfalls begrüßt, müsse aber die unterschiedlichen Erfahrungen aller politischen Ebenen in den Austausch bringen und dürfe nicht vergessen, auch die Verwaltung in Ländern und Kommunen fit für das Thema Jugendbeteiligung zu machen. Das DKHW vermisst im Koalitionsvertrag Aussagen zur Stärkung des Kinder- und Jugendhilfesystem als Ganzes. Dieses sei schon vor der Pandemie an den Grenzen der Belastbarkeit und nicht ausreichend finanziert gewesen. 

Der Bund der Deutschen Landjugend (BDL) zieht jugendpolitisch ein gemischtes Fazit des Entwurfs. So wird das Demokratiefördergesetz und die Stärkung von Demokratie Leben! gelobt. Auch die bessere Ausstattung der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt wird mit Blick auf die ländlichen Regionen positiv gesehen. Allerdings vermisst der BDL eine einheitliche Handschrift. Konkret vermisst wird ein eigenständiger Blick auf die Lebensphase Jugend - stattdessen werde der Blick entweder aus Familien- oder Bildungssicht auf Jugendliche gerichtet. Jugendliche erfüllten somit vor allem einen gesellschaftlichen Zweck, seien aber keine eigenständigen politischen Subjekte. Der Koalitionsvertrag enthalte viele offene Formulierungen und Leerstellen, die es nun zu füllen gelte. So sei unklar, ob der Satz "Wir werden junge Menschen an Entscheidungen, die sie betreffen, beteiligen" ein Bekenntnis zum Jugend-Check sei oder nicht. Der BDL hat sich nicht nur jugendpolitisch geäußert, sondern auch ein negatives Fazit zur Agrarpolitik ("verpatzte Chance") und ein positives Fazit zur Politik für ländliche Räume ("In der Summe ein echter Aufbruch fürs Land") im Koalitionsvertrag gezogen.

 

Quellen: DBJR, UNICEF, DKHW, BDL