Home > Eigenständige Jugendpolitik"Wir müssen voneinander lernen!"

Ioana Nescovici ist im Jugendparlament und der Steuerungsgruppe Eigenständige Jugendpolitik in Trier aktiv.

Warum engagierst du dich im Bereich Jugendpolitik?

Wir haben unseren Bürgermeister dazu motivieren können, uns einen kleinen Anbau an unserer Schule zu ermöglichen. Unter anderem dieses Erfolgserlebnis hat dazu geführt, dass ich mich weiter engagieren wollte. In der 9. Klasse kam die damals Vorsitzende vom Jugendparlament zu uns in den Unterricht und hat uns das Jugendparlament vorgestellt. Ich fand es spannend, dass einem als Jugendliche*r die Chance geboten wird zu sagen, was an Trier vielleicht noch nicht so optimal läuft. Deswegen habe ich mich zur Wahl aufstellen lassen und wurde dann auch zweimal hintereinander gewählt. Einmal war ich als Mitglied in der Gruppe Veranstaltungen und Kultur aktiv und danach war ich Vorsitzende des Parlamentes. In dieser Zeit habe ich gemerkt, dass Politik ein großer Bestandteil meines Alltags ist und dass es unumgänglich ist, sich mit Politik auseinander zu setzen. Sei es, ob man Erstwähler*in ist oder ein Gespräch mit den Nachbar*innen führt, es kommt immer irgendwie Politik zustande. Deswegen finde ich es wichtig, dass man sich mit Politik auseinandersetzt.

Fühlst du dich ernst genommen von Politik?

Ich persönlich fühle mich ernstgenommen, weil ich mir durch mein Engagement aber auch Gehör verschaffen konnte. Auf Jugendliche generell bezogen ist das schwieriger. Politik ist immer noch sehr bürokratisch und es ist für Jugendliche ein bisschen frustrierend, wenn man lange auf eine Genehmigung warten muss oder darauf, dass ein Antrag angenommen wird. Auch die Kommunikation ist teils schwierig, da man ja zum Beispiel Medien wie WhatsApp nicht benutzen darf. Das sind so kleine Steine, die einem in den Weg gelegt werden und das zeigt eigentlich, dass durch diese Kommunikationsblockaden die erwachsene Politik nicht mit Jugendlichen auf Augenhöhe kommunizieren kann.

Hat die Stadt Trier alle Jugendinteressen im Blick?

Die Stadt Trier bemüht sich, alle Interessen im Blick zu haben. Es werden immer alle Schulformen und Jugendzentren zu den Jugendkonferenzen eingeladen. Manchmal scheitert es aber an kleinen Sachen, wenn beispielsweise eine Einladung nicht im Sekretariat weitergeleitet wird. Lehrer*innen an Schulen für Jugendliche mit besonderen Bedürfnissen trauen es ihren Schüler*innen gar nicht zu, sich zu beteiligen. Wir als Steuerungsgruppe bekommen dann nicht die Chance, Methoden zu schaffen, die diese jungen Menschen integrieren würden. Außerdem ist es sehr wichtig, Jugendliche direkt aufzusuchen, sie anzusprechen und sich mit ihnen auszutauschen. Wir sind zum Beispiel in einen Stadtteil von Trier gegangen, wo eher Jugendliche mit einem ökonomisch schwächeren Hintergrund leben. Wir haben mit den Jugendlichen zusammen ein Konzept aufgebaut, wie das neue Jugendzentrum aussehen soll.

Wie können die Bedürfnisse von Jugendlichen integriert werden, die zurzeit noch nicht gehört werden?

Es ist wichtig, einen Raum zu schaffen, in dem sich alle wohlfühlen. Bei unseren Jugendkonferenzen gab es immer Essen, Musik und ein spannendes Pausenprogramm, dann ist das auch kein trockener Politikalltag. Man könnte auch Politik mit den Orten verbinden, die Jugendliche eh besuchen, beispielsweise Festivals oder Vereine. Jugendliche müssen sich die Frage stellen, ob sie sich politisch engagieren oder einen Nebenjob machen, um ein bisschen Geld zu verdienen. Und viele Jugendliche sagen, dass sie sich gerne finanziell mehr absichern möchten. Wenn man politische Angebote also mit den Freizeitorten der Jugendlichen verknüpft, könnte das Erfolg haben.

Was kann die Politik von euch lernen?

Ich bin der Meinung, dass sie sich ein großes Stück von unserer Parteilosigkeit abschneiden könnte. Viele Entscheidungen wären erfolgreicher oder es würde schneller zu einem Kompromiss führen, wenn es nicht um die Profilierung einzelner Parteien gehen würde. Wenn es darum geht, eine Entscheidung zu fällen oder zu einer Lösung zu kommen, dann wäre es besser, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und den Parteinamen eher in den Hintergrund zu rücken.

Was sind deine Erwartungen an eine jugendgerechte Zukunft?

Ein wichtiger Baustein ist die Öffentlichkeitsarbeit. Es bringt nichts, wenn wir eine Veranstaltung auf die Beine stellen, aber niemand bekommt was davon mit. Es ist wichtig, gerade in dieser digitalen Zeit, dass mit Social Media gearbeitet wird und neue Formen genutzt werden, um auch neue Jugendliche zu erreichen. Es ist schön, wenn man Jugendliche gewinnt und sie an einer Aktion teilnehmen oder an einem Projekt. Aber was ich besonders wichtig finde, ist dass man auch eine gewisse Kontinuität schafft. Es ist wichtig, dass Leute weiter aktiv bleiben und Spaß an politischen Aktionen haben. Das ist gleichzeitig das Wichtigste und Komplizierteste. Deswegen müssen modernere und zeitgemäßere Modalitäten gefunden werden, um die Jugendliche zu beteiligen, zum Beispiel durch digitale Beteiligungsformate. Für Trier wünsche ich mir, dass viel mehr Integration und Inklusion stattfindet. Dass Geflüchtete und Schüler*innen aus ökonomisch schwächeren Milieus integriert werden und sie nach ihrer Meinung gefragt werden. Denn sie sind auch Teil der Jugend in Trier. Diese Jugendlichen zu erreichen, ist mir ein großes Anliegen. Für Rheinland-Pfalz wünsche ich mir, dass der Sozialkundeunterricht viel früher eingeführt wird. In der neunten Klasse finde ich das relativ spät, wenn man von Schüler*innen erwartet, ein paar Jahre später als mündige Bürger*innen schon wählen zu können. Auf Bundesebene wünsche ich mir, dass kommunale Programme weiterhin gefördert werden und das Veranstaltungen stattfinden, in denen Kommunen voneinander lernen und Wissen austauschen können.

Profilbild Ioana Nescovici

Das Interview wurde am 2. Februar 2021 geführt. Es ist im Rahmen eines Filmprojekts von jugendgerecht.de entstanden, bei dem aktuelle jugendpolitische Entwicklungen in Deutschland portraitiert werden.