Das KomKJB bietet seit 2023 den Bundesministerien Beratungen zum Thema Jugendpartizipation an. Was sind die häufigsten Anliegen in den Beratungsprozessen?
Häufig planen Ministerien einen Jugendbeteiligungsprozess, wissen aber noch nicht, wie sie diesen ganz konkret angehen wollen. Dann kommen die Ressortvertreter*innen auf uns zu und wir unterstützen dabei, herauszufinden, welches Format am besten zum konkreten Beteiligungsziel passen würde. Dabei können ganz unterschiedliche Ergebnisse herauskommen –von einer Großveranstaltung über ein einzelnes Audit mit jungen Menschen bis zu einem langfristig angelegten begleitenden Jugendgremium.
Ein weiteres Anliegen, das immer wieder aufkommt, ist die Frage nach Zugängen zu jungen Menschen und jugendgerechter Kommunikation. Denn Beteiligung – gerade auf Bundesebene – ist einerseits komplex und anspruchsvoll. Andererseits möchten die Bundesministerien aber möglichst eine hohe Vielfalt an Teilnehmenden erreichen, um die Diversität junger Perspektiven abbilden zu können.
Welche Beispiele konkreter Fortschritte oder Meilensteine in einzelnen Ressorts gibt es bisher?
In vielen Ressorts konnten wir in den letzten Jahren wachsendes Interesse an der Umsetzung von Jugendbeteiligung beobachten. Dabei sind die konkreten Ausführungen in den einzelnen Ministerien ganz unterschiedlich. Zwei Ministerien, das BMLEH und das BMBFSFJ, haben sich auf den Weg gemacht, Jugendbeteiligung im jeweiligen Haus konkret zu verankern, indem diese in einer Hausanordnung festgeschrieben wurde. Das heißt, dass nun bei jedem relevanten Vorhaben geprüft werden muss, ob und in welcher Form Jugendbeteiligung umgesetzt werden kann. Das ist ein großer Schritt, weil dabei weite Teile eines Ministeriums für das Thema sensibilisiert werden, was wir unter anderem daran merken, dass sich mehr und mehr Referate bei uns mit Beratungsanliegen melden.
Doch das ist nicht der einzige Weg: andere Ressorts haben Jugendbeiräte ins Leben gerufen, mit denen sie sich regelmäßig austauschen und zu konkreten Fragen beraten lassen. Und dann gibt es auch Modelle wie die Koordinierungsstelle Jugendbeteiligung in Klimafragen, die junge Menschen aus Organisationen und Verbänden wirksam in klimapolitische Fragen einbindet.
Viele Akteure fordern momentan die Bundesregierung dazu auf, Jugendbeteiligung verbindlich auf Bundesebene zu verankern. Wie kann das perspektivisch gut und wirksam gelingen und wie können Jugendbeteiligungsformate nachhaltig in Ministerien etabliert werden?
Zu verstehen, dass die Beteiligung junger Menschen eine unverzichtbare Perspektive in politische und gesellschaftliche Debatten einbringt, ist die Grundlage für eine nachhaltige Verankerung. Daher ist es wichtig, dass Ministerien sich zu Jugendbeteiligung bekennen und die nötigen Ressourcen und Rahmenbedingungen bereitstellen. Verbindliche Leitlinien und Gesetze sind eine Sache, eine offene Partizipationskultur ist aber mindestens genauso relevant. Beteiligung sollte nicht vom Willen und der Motivation einzelner Verantwortlicher oder einer einzelnen Projektförderung abhängen, sondern von der ganzen Institution mitgetragen werden. Eine Möglichkeit wären beispielsweise jeweils feste Anlaufstellen in den Ministerien, die unabhängig von persönlichem Engagement funktionieren und bestensfalls legislaturübergreifend auf erworbene Erfahrungen aufbauen.
Was ist die Aufgabe des Jugendbeirats des KomKJB und zu welchen thematischen Schwerpunkten arbeitet er?
Unser Jugendgremium, das KomKJB jung*, besteht momentan aus 18 jungen Menschen, die uns aus Jugendperspektive zum Thema Beteiligung beraten. Wir als Bundeskompetenzzentrum beraten und sensibilisieren die Bundesministerien und nachgeordneten Behörden und treten anwaltschaftlich für junge Menschen ein, aber wir sind selbst nicht mehr in der Lebensphase Jugend. Deshalb ist es uns sehr wichtig, dass wir durch unser Jugendgremium immer wieder unterschiedliche Perspektiven junger Menschen zu Beteiligungsfragen einholen und deren Lebenswelt konkret einbeziehen. Die Jugendlichen sind teilweise bei Terminen mit den Bundesministerien dabei, schreiben Papiere zur Relevanz von Jugendbeteiligung in verschiedenen Ressorts oder führen gemeinsam mit uns Workshops durch. Dabei ist der thematische Schwerpunkt des Gremiums immer die Beteiligung junger Menschen auf Bundesebene.
Inwieweit beeinflussen (globale) Herausforderungen wie Klimaschutz, Pandemie oder Haushaltspolitik den Stellenwert von Jugendbeteiligung auf Bundesebene?
Die multiplen globalen Krisen und die angespannte Haushaltslage beeinflussen natürlich den Grad an Aufmerksamkeit, der für weitere gesellschaftlich relevante Themen in der Bundespolitik noch bleibt. Oft spielt dann Jugendbeteiligung eine untergeordnete Rolle. Das haben wir insbesondere in der Corona-Pandemie gesehen, wo Fragen der Jugendbeteiligung plötzlich kein Thema mehr waren, sondern von Politiker*innen über die Köpfe und Bedarfe der jungen Menschen hinweg entschieden wurde. Auch durch die zunehmenden Sparzwänge der Bundesregierung können wir sehen, dass die Mittel für Jugendbeteiligung nicht so vorhanden sind, wie wir uns das wünschen würden.
Dabei ist es gerade angesichts gesellschaftlicher Krisen umso wichtiger, junge Menschen zu beteiligen und sich mit ihnen auszutauschen. Denn sie sind es, die die Herausforderungen von Morgen bewältigen werden und daher sollten sie auch darüber mitentscheiden dürfen, in welcher Zukunft sie leben möchten.
Zu den Personen
Hannah Rex ist seit Sommer 2023 Projektkoordinatorin im Bundeskompetenzzentrum Kinder- und Jugendbeteiligung (KomKJB). Durch langjähriges Engagement und Ehrenamt in Jugendverbänden hat Hannah viel Praxiswissen erworben, welche Sie heute in die Jugendpolitikberatung einbringt. Über den Tellerrand hinauszuschauen, kreative Denkansätze zu verfolgen und die Wirkung im Blick zu behalten, findet sie genauso wichtig wie zielgruppengerechte Formate und Kommunikation.
Nicola Grellmann ist seit Sommer 2024 Referentin im Bundeskompetenzzentrum Kinder- und Jugendbeteiligung (KomKJB). Zuvor hat sie die Entwicklung und Umsetzung der Jugendstrategie der Bundesregierung begleitet. Nicola stellt mit großer Begeisterung neue Jugendbeteiligungsformate auf die Beine. Im KomKJB ist sie unter anderem Ansprechpartnerin für das Jugendgremium KomKJB jung*.
Weitere Informationen:
Webseite des Kompetenzzentrums für Kinder- und Jugendbeteiligung
Quelle: jugendgerecht.de, September 2025