Interview
Home > Eigenständige JugendpolitikEchte Beteiligung an nationaler Klimapolitik ermöglichen!

(29.08. 2025) Die Koordinierungsstelle Jugendbeteiligung in Klimafragen ist das Beteiligungsformat am Bundesklimaschutzministerium. Friederike Heuer vom DBJR erklärt im Interview, wie die junge, organisierte Zivilgesellschaft dabei unterstützt wird, ihre Positionen gezielter in die nationale Klimapolitik einzubringen.

Eine Frau sitzt auf einer Lichtung in einem Wald Eine Frau sitzt auf einer Lichtung in einem Wald
Foto: B. Kadylzhanov via pexels.com

Ziel der Koordinierungsstelle ist es, gemeinsam mit Jugendverbänden und -organisationen wirksame Dialog- und Beteiligungsformate mit dem Bundesklimaschutzministerium (ehemals Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), nun Bundesministerium für Umwelt, Klimaschutz, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUKN )) zu etablieren, damit die Anliegen junger Menschen stärker in klimapolitische Entscheidungen einfließen. Das Jugendbeteiligungsformat läuft seit September 2023 unter Trägerschaft des Deutschen Bundesjugendrings.

Jugendbeteiligung auf Bundesebene ist sehr voraussetzungsvoll - wo setzt die Koordinierungsstelle da mit ihren Beteiligungsvorhaben an?

Jugendbeteiligung muss aus Sicht des Bundesjugendrings vorrangig bei jungen Menschen und ihren Selbstorganisationen ansetzen - also bottom-up aus der Zivilgesellschaft heraus. Jugendbeteiligung gewinnt nur dann echte Legitimität, wenn die beteiligten Personen von jungen Menschen selbst demokratisch legitimiert und die inhaltlichen Anliegen in einem demokratischen Verfahren von jungen Menschen selbst ausgehandelt wurden. Die Beteiligung einzelner Jugendlicher entspricht nicht unserem Bild der Repräsentation „der Jugend“. Darüber hinaus sollte sich Jugendbeteiligung an den „Qualitätsstandards für Kinder- und Jugendbeteiligung“, die der Bundesjugendring gemeinsam mit dem Bundesjugendministerium entwickelt hat, messen lassen. Daher sind bei uns in der Koordinierungsstelle Jugendverbände und -organisationen beteiligt, die über ihre Vertreter*innen in unseren Arbeitsgruppen Forderungen und Positionen einbringen.

Welche Themen sind den beteiligten jungen Menschen und Jugendverbänden besonders wichtig – deckt sich das mit dem Bundesklimaschutzministerium? 

In der Koordinierungsstelle Jugendbeteiligung in Klimafragen engagieren sich über 30 Jugendverbände und -organisationen aus ganz unterschiedlichen Bereichen: konfessionell, gewerkschaftlich, sozial oder helfend. Die Diversität ist sehr groß und es beteiligen sich längst nicht nur Organisationen mit direktem Umwelt- und Klimabezug.

Ein gemeinsamer Nenner findet sich dennoch: Klimagerechtigkeit - innergesellschaftlich und zwischen den Generationen. Daher steht bei uns die sozial gerechte Ausgestaltung von Klimapolitik im Mittelpunkt – also Klimasozialpolitik. Auch Bundesminister Schneider scheint dieses Thema wichtig zu sein. Er bezeichnet den Klimawandel als „größte soziale Frage unserer Zeit“ und setzt auf sozial gestaffelte Umstiegshilfen. Das schafft inhaltliche Anknüpfungspunkte.

Wie sieht dabei ein wirksamer Beteiligungsprozess auf Bundesebene aus und wie verbindlich werden die Empfehlungen und Positionen junger Menschen politisch aufgenommen? 

Ein gutes Beispiel ist unsere Beteiligung am nationalen Klimasozialplan im Rahmen des EU-Klimasozialfonds. Dieser soll soziale Härten durch die CO₂-Bepreisung im Verkehrs- und Gebäudesektor abfedern – etwa durch Direktzahlungen oder Investitionen gegen Energie- und Mobilitätsarmut. Eine unserer Arbeitsgruppen hat dazu ein Positionspapier erarbeitet und mit dem zuständigen Abteilungsleiter im BMWK diskutiert. Außerdem konnten wir unsere Perspektive bei Verbändetreffen einbringen – also dort, wo sonst meist nur Erwachsenenvertretungen sitzen. Eine Vertreterin hat unsere Forderungen sogar in Brüssel vor der EU-Kommission präsentiert. 

Ob unsere Empfehlungen letztlich politisch aufgegriffen werden, bleibt offen. Aber schon die kontinuierliche Frage „Und was ist mit jungen Menschen?“ wirkt. Sie bringt politische Akteur*innen ins Nachdenken – und das ist ein Anfang.

Was wurde denn bereits erreicht und welche Herausforderungen gibt es? 

Auf Bundesebene dauern politische Prozesse oft lange, Ergebnisse sind selten sofort sichtbar. Die Gefahr von Scheinbeteiligung ist real – besonders bei punktuellen Konsultationen. Dazu kommen kurzfristige Zeitfenster für Beteiligung etwa in Form von öffentlichen Konsultationsphasen zur Einreichung von Stellungnahmen. Da wir kein offizielles Gremium sind, müssen unsere Forderungspapiere von den beteiligten Verbänden selbst mitgetragen und unterzeichnet werden – was Zeit braucht.

Dennoch: Wir werden mitgedacht. Die Koordinierungsstelle wird vom Ministerium darüber informiert, wenn Stellungnahmen eingereicht werden können, werden zu Stakeholderdialogen eingeladen und nehmen an Veranstaltungen teil, die jungen Menschen sonst oft verschlossen bleiben – etwa dem Berlin Energy Transition Dialogue. Auch auf der Arbeitsebene mit unseren Ansprechpartner*innen in den Referaten funktioniert der Austausch gut – dort, wo Beteiligung oft am wirksamsten ist. Und vielleicht hatten wir ja sogar einen kleinen Einfluss darauf, dass Robert Habeck inzwischen auf TikTok ist – kurz nach unserem Gespräch mit ihm im April 2024 ging sein Account online. ;)

Wie gelingt es, auch über das Klimaschutzministerium hinaus Gehör zu finden – und wie werden die Erkenntnisse zur Jugendbeteiligung sowohl gegenüber der Zivilgesellschaft als auch politischen Entscheidungsträger*innen sichtbar gemacht? 

Klimaschutz ist eine Querschnittsaufgabe – auch wenn das in manchen Ressorts noch nicht voll angekommen ist. Wir stehen aber bereits mit Querschnittsreferaten in Kontakt, auch außerhalb des BMUKN.

Erkenntnisse und Learnings zur Jugendbeteiligung greift die im Bundesjugendring verankerte Fach- und Koordinierungsstelle (FKS) Jugendbeteiligung auf. Sie entwickelt Jugendbeteiligung auf Bundesebene fachlich weiter – sie arbeitet an methodischen Fragen und überarbeitet die Qualitätsstandards auf Basis unserer Erfahrungen. Darüber hinaus nehmen wir im Rahmen der FKS Jugendbeteiligung Kontakte zu anderen Ministerien auf, um dort Beteiligungsprozesse vorzustellen und zu initiieren. Dabei bleibt die Fach- und Koordinierungsstelle im engen Austausch mit anderen zivilgesellschaftlichen Trägern und stärkt die Vernetzung im Themenfeld.

Am 10. Dezember laden wir zur Abschlussveranstaltung unseres Projekts zur Anwendungsqualifizierung der Qualitätsstandards für Kinder- und Jugendbeteiligung ein – mit zentralen Erkenntnissen und „Lessons Learned“ aus der Praxis. So setzen wir Impulse für echte, kontinuierliche und qualitätsgesicherte Jugendbeteiligung – weit über einzelne Ressorts hinaus.
 
Zur Person

Friederike Heuer

Friederike Heuer ist Referentin für Jugendbeteiligung an nachhaltiger Entwicklung beim Deutschen Bundesjugendring. Dort betreut sie mit ihrer Kollegin Miriam Zubke das Jugendbeteiligungsformat Koordinierungsstelle Jugendbeteiligung in Klimafragen und arbeitet querschnittig in der Fach- und Koordinierungsstelle Jugendbeteiligung, in der Beteiligungsformate auf Bundesebene gebündelt, gestärkt und besser vernetzt werden.

Hintergrundinformationen

jugendgerecht.de, August 2025