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Prof. Dr. Wolfgang Schröer, Bundesjugendkuratorium (BJK)

Prof. Dr. Wolfgang Schröer ist Vorsitzender des Bundesjugendkuratoriums und Professor am Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität Hildesheim. In seinem Beitrag gab er einen Einblick in Forschungsergebnisse der JuCo Studie. Der Forschungsverbund „Kindheit – Jugend – Familie in der Corona-Zeit“ der Universität Hildesheim und der Goethe-Universität Frankfurt hat in dieser bundesweiten Studie 8000 Jugendliche von 15 bis 30 Jahren befragt. Im Rahmen der zwei Erhebungen im Frühjahr und Herbst ging es darum, mehr über den Lebensalltag, die Herausforderungen und Perspektiven der jungen Menschen zu erfahren.

Bereits die erste Befragung hat gezeigt, dass die Beteiligungsformate von jungen Menschen nicht krisenfest zu sein scheinen. Nach der zweiten Erhebung wird bilanziert: Obwohl junge Menschen sich in ihrem Freizeitverhalten stark einschränkten, Kontakte reduzierten und sich verantwortungsvoll verhielten, fanden spezifische Bedarfe von jungen Menschen bei politischen Entscheidungen 2020 kaum Berücksichtigung. Junge Menschen warten das ganze Jahr darauf, dass mit ihnen gesprochen wird. Sie empfinden ihren Zustand als nicht endende Warteschleife. Der größte Teil der jungen Menschen hält sich an die Regeln, gleichzeitig leiden sie aber unter Maßnahmen, deren Logik und Sinn sich zum Teil nicht erkennen lässt.

Besonders hart trifft die Pandemie jene, die 2020 wichtige Entscheidungen für ihr Leben treffen müssen – etwa am Ende der Schulzeit. Junge Menschen wissen schlichtweg nicht, wie es weitergeht. Ihre Situationen sind sehr unterschiedlich, aber alle machen die Erfahrung der Unsicherheit und Instabilität. Insbesondere junge Menschen an den Übergängen sowie in den Erziehungs- und Flüchtlingshilfen sind geplagt von Ängsten und Sorgen. Diese Unsicherheiten betreffen auch das Zusammenleben und den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Die zwei Erhebungszeitpunkte haben gezeigt: die Angst vor der Zukunft ist zum Herbst noch gewachsen. Corona ist tiefer im Jugendalltag angekommen. Die Zuversicht ist gewichen. Junge Menschen machen sich immense Sorgen und leiden unter großen psychischen Belastungen.

Es wird bereits von einer „Generation Corona“ gesprochen – das Label wurde schon vergeben, bevor Auswirkungen der Krise überhaupt reflektiert werden konnten. Noch weiß niemand, wie junge Menschen die Krise gestalten und für sich verarbeiten werden. Es ist der Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe, dass die Pandemie nicht zu einem generationenprägenden Ereignis wird. Der fortlaufende Prozess ist jugendpolitisch zu reflektieren, und es sind Konsequenzen daraus zu ziehen. Corona zeigt uns, ob Jugendpolitik krisenfest etabliert ist. Es wurde bereits festgestellt: Beteiligung ist ein Aspekt, der nicht krisensicher ist. Das sollte angegangen und thematisiert werden. Im öffentlichen Diskurs ist die Jugend vor allem eine Lebensphase der Qualifizierung. Darüber hinaus müssen jetzt jugend(hilfe)politische Angebote gemacht werden. Die Kinder- und Jugendhilfe darf sich nicht zurückziehen. Jugendpolitik muss in der Jugendhilfe wirken und sie unterstützen. Eine hohe Anerkennung sprechen junge Menschen den Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe aus. Prof. Dr. Wolfang Schröer betont, dass diese schon sehr viel geleistet haben und fordert eine stärkere Achtung dafür in der Bundespolitik.

Beitrag aus der Online-Veranstaltung "Treffpunkt Jugendpolitik" vom 14.12.2020