Jugendpolitik in Bewegung
Gesamtplenum und Austausch mit den Expert*innen
Wer hat aus Ihrer Sicht im Jahr 2020 jugendpolitische Energie freigesetzt?
Besonders stark in Erscheinung getreten sind in diesem Jahr junge Menschen. Sie sind überproportional stark von Kontaktbeschränkungen und den Pandemiemaßnahmen betroffen. Die Akzeptanz für eben diese ist trotzdem sehr ausgeprägt und das Engagement für andere betroffene Gruppen, v. a. für vulnerable Gruppen, ist hoch. Gleichzeitig gibt es die berechtigte Forderung an die Politik, junge Menschen ernst zu nehmen. Sowohl durch Jugendforschung als auch durch ihre eigenen Aktivitäten wurde deutlich: Junge Menschen wollen gehört werden. Es wurde allerdings auch festgestellt, dass Partizipationsmöglichkeiten noch entwicklungsbedürftig sind. Jugendliche können sich nicht so umfassend einbringen, wie sie es gerne möchten.
Welche konkreten Ziele müssen wir prioritär in den Blick nehmen, um „Jugend zu ermöglichen“?
Ein großer Teil der Teilnehmer*innen und Expert*innen sieht unter dem Punkt „Ausreichende Finanzierung von Jugendpolitik“ alle genannten jugendpolitischen Ziele subsummiert. Um inhaltliche Wünsche umzusetzen, braucht es einen Rahmen, der aktuell jedoch noch zu fragmentarisch ist. Um alle Ziele in den Blick nehmen zu können, sind zusätzliche finanzielle Ressourcen für Jugendpolitik nötig. Denn nur eine gut finanzierte Politik kann für eine Kulturveränderung in der Gesellschaft sorgen. Diese Veränderung sollte in eine Haltung münden, die alle Jugendlichen mit ihren Interessen und Bedürfnisse im Blick hat. Es braucht Aufmerksamkeit für die diversen Lebenslagen junger Menschen (wie bspw. das Leben in Armut) und eine grundsätzlich zugewandte Haltung. Junge Menschen wollen gehört und gesehen werden. Jede*r Einzelne sollte dazu beizutragen, dass Jugendliche und junge Erwachsene in ihrer Vielfalt wahrgenommen werden.
Es wird betont, dass insbesondere die Verankerung von Jugendbeteiligung und die Absenkung des Wahlalters sehr relevante jugendpolitische Ziele sind. Die Absenkung des Wahlalters steht auf der Agenda der Jugendstrategie und wird dort in der Interministeriellen Arbeitsgruppe Jugend behandelt. Es wird ein Gutachten erstellt, welches juristische und politische Erwägungen in den Blick nimmt. Insofern wird an dieser Stelle eine Bewegung in die richtige Richtung festgestellt.
Wie können wir gemeinsam erreichen, dass Jugendpolitik „auf Kurs“ bleibt?
Zentrales Thema für die Umsetzung Eigenständiger Jugendpolitik ist Lobbyarbeit, insbesondere in Kommunen. Sie brauchen Rückenwind, um gute Arbeit leisten zu können. In den meisten Fällen ist es unabdingbar, sich der Unterstützung der Verwaltungsspitze sicher zu sein. Ebenfalls wichtig ist es, auf allen Ebenen neue Verbündete zu finden, z. B. in dem Bereich Schule, Wirtschaft, Medien usw. Viele Engagierte verstehen sich als Jugendpolitiker*innen, nachdem sie die „Jugendbrille“ einmal aufgesetzt haben. Jugendpolitik sollte auch in allen Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe gelebt werden. Die AGJ setzt sich seit vielen Jahren für ein jugendhilfepolitisches Bewusstsein ein. Die Expert*innen sind sich einig: Jugendpolitik sollte zum gemeinsamen gesellschaftlichen Konsens werden.
Welchen Impuls unserer Veranstaltung nehmen Sie für Ihren Arbeitszusammenhang mit in das neue Jahr?
Die Lobby der Jugend braucht eine Stimme und politische Maßnahmen sollten immer mit der Perspektive der Jugend abgeglichen werden. Jedes Ressort sollte dazu imstande sein, sich hierfür von seiner eigenen fachpolitischen Vorstellung zu lösen. Offenheit für andere Sichtweisen ist dafür ein guter Anfang. Die Jugendstrategie der Bundesregierung arbeitet bereits ressortübergreifend. Bei der Weiterentwicklung der Jugendstrategie sollten allerdings unterschiedliche Lebenslagen noch differenzierter in den Blick genommen werden (hierzu gehört u. a. das Leben in Armut), um bestmöglich die Interessen und Bedürfnisse aller Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu vertreten.
Beitrag aus der Online-Veranstaltung "Treffpunkt Jugendpolitik" vom 14.12.2020