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Home > Eigenständige JugendpolitikAGJ veröffentlicht Zwischenruf zu Jugendbildern

(22.02.2023) Anlässlich der Debatte um eine pauschalisierende Betrachtung von Jugendgewalt, äußert sich die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe - AGJ in einem Zwischenruf zu Jugendbildern und benennt darin jugendpolitische Handlungsbedarfe.

Ein Hochhaus mit grauer Fassade und weißen Balkonen. Foto: M. Lenk via unsplash.com Ein Hochhaus mit grauer Fassade und weißen Balkonen. Foto: M. Lenk via unsplash.com

Im Zwischenruf (PDF) beschäftigt sich die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe - AGJ mit einer jugendpolitischen Einordnung zum Thema Jugendgewalt. Dabei verurteilt sie zunächst klar und eindeutig alle Übergriffe auf Polizei und Rettungskräfte. 

Die AGJ stellt fest, dass im Nachgang der Silvesternacht - nicht zum ersten Mal - eine wenig differenzierte mediale Berichterstattung und rassistische Ressentiments den Diskurs bestimmen und u.a. die Kinder- und Jugendhilfe "die Lage beruhigen soll". Ein genauerer Blick zeigt jedoch, dass sozialer Aufstieg in Deutschland weiterhin schwer ist und benachteiligte junge Menschen im Bildungssystem diskriminiert und ausgegrenzt werden, weshalb zentrale Kernherausforderungen der Jugendphase (Qualifizierung, Verselbstständigung, Selbstpositionierung) nur schwer bewältigt werden können. Wenn viele junge Menschen in einem Stadtteil diese gleichen negativen Erfahrungen machen und zudem noch stigmatisiert werden, kann dies dazu führen, dass sie sich nicht als Teil dieser Gesellschaft wahrnehmen. Dies ist Teil von negativen Kreisläufen, die soziale Probleme in den betroffenen Stadtteilen verursachen.

Hier muss Jugendpolitik – ressortübergreifend und parteilich für die Belange und Interessen junger Menschen – Armut und Ausgrenzung bekämpfen und echte gesellschaftliche Integration und Teilhabe entwickeln. Die Jugendhilfe ist dabei eine Akteurin, die besondere Verantwortung für die Bewältigung der alterstypischen Herausforderungen junger Menschen trägt – nicht zuletzt bei der Begleitung junger Menschen in strafrechtlichen Verfahren. Teil des Schutzauftrags ist auch Gewaltprävention, die sowohl Gewalt gegen junge Menschen, aber auch Gewalt ausgehend von jungen Menschen, thematisiert und alternative Strategien zur Lebensbewältigung anbietet.

Trotz der Möglichkeiten der Jugendhilfe kann sie nicht allein die Folgen einer verfehlten Sozialpolitik ausgleichen. Hierzu ist ein abgestimmtes Zusammenwirken mit anderen Akteur*innen und Ressorts vonnöten.

Das Papier schließt deshalb mit konkreten Handlungsbedarfen:

 

  • Jugendpolitik ist wichtig. Die Bedarfe und Bedürfnisse junger Menschen sind in die Entscheidungen aller Politikfelder einzubeziehen. Die relevanten Entwicklungen in der Kindheits- und Jugendphase dürfen dabei nicht auf die der formalen Bildung (Schule, Ausbildung, Studium) verengt werden.
  • Junge Menschen brauchen mehr Freiräume für ihre Persönlichkeitsbildung. Die Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe ist es, diese zu schaffen und zu verteidigen, um junge Menschen dabei vor Übergriffen und Fehlbeurteilungen zu schützen. Dies muss durch stadtplanerische Weitsicht und eine Jugendhilfeplanung der Kommunen ermöglicht werden.
  • Um Segregation entgegenzuwirken und jungen Menschen in jedem Quartier das Erleben von sozialer Teilhabe und Mitwirkung als selbstverständlich geschätztes Mitglied der Gesellschaft zu ermöglichen, braucht eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung und Sensibilisierung aller Politikfelder und die konsequente Beteiligung junger Menschen.
  • Soziale Mobilität, der Abbau von Armut und die Ermöglichung von Teilhabe müssen wesentliche sozialpolitische Ziele auf allen Ebenen sein. Politik auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene steht in der Verantwortung, diese Ziele aktiv und mit höchster Priorität zu verfolgen.
  • Die soziale Infrastruktur, die der Teilhabe und dem Ausgleich von Benachteiligungen dient (wie u.a. die Kinder- und Jugendhilfe), braucht eine verlässliche finanzielle Förderung, die hilft bei steigenden Bedarfen sowie steigenden Kosten die bisherige Quantität und Qualität der Angebote zu halten. Infrastrukturförderung ist dabei mehr als „Projektitis"! Mit Blick auf das Auseinandergehen der sozialen Schere ist unverständlich, wieso statt des Ausbaus und der fachlichen Weiterentwicklung der Infrastruktur offenbar immer wieder Kürzungen angestrebt werden.
  • Konkret bedeutet dies, mit mehr finanziellen Mitteln mehr und bessere Kitas, Schulen, Sportangebote und Sportplätze sowie mehr Orte der außerschulischen Jugendbildung in Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit gerade in problembelasteten Quartieren zu schaffen. Es braucht mehr Angebote der sozialen und auch therapeutischen Begleitung junger Menschen, die mit diesen individuelle Perspektiven erarbeiten können. Zu diesen Notwendigkeiten zählen auch stabile und gute Arbeitsbedingungen für Fachkräfte und deren Anerkennung.
  • Bei strafrechtlich relevantem Verhalten junger Menschen sind verschiedene Rechtskreise involviert – auch die Jugendhilfe. Bezüglich der primären und sekundären Prävention sowie im Strafverfahren bedarf es dringend einer Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Polizei, Jugendhilfe und Justiz. Dazu zählen auf Jugendbelange spezialisierte Polizeibeamt*innen und spezialisierte Jugendstaatsanwält*innen und Jugendrichter*innen.

Quelle: Zwischenruf "Schon wieder diese Jugend!? Pauschalen Jugendbildern in Politik und Medien entgegenwirken. Zwischenruf der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe - AGJ"; 22.02.2023