Wissen
Home > Eigenständige JugendpolitikStudie: Hohe Corona-Folgekosten durch psychische Belastungen

(08.08.2023) Die zahlreichen psychosozialen Belastungen, denen Kinder und Jugendliche während der Pandemie ausgesetzt waren, haben bei einem Teil zu psychischen Erkrankungen geführt. Eine Expertise der Universität Ulm und des Hamburg Center for Health Economics warnt nun vor den gesamtgesellschaftlichen Folgekosten.

Junge Frau sitzt traurig am Fenster Junge Frau sitzt traurig am Fenster
Foto: M. Production via pexels.com

Geschlossene Schulen und Sportvereine, Isolation und Einsamkeit: Junge Menschen waren in besonderem Maße von den Folgen der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus betroffen. Viele leiden in der Folge unter emotionalen Störungen oder Verhaltensproblemen. Die Forscherinnen und Forscher haben nun im Auftrag des Bundesfamilienministeriums eine Expertise zur Berechnung der gesamtgesellschaftlichen Folgekosten erstellt, und kommen zu dem Ergebnis, dass diese selbst bei konservativer Schätzung im Bereich mehrerer Milliarden Euro pro Jahr lägen. 

Kosten durch Behandlung und Arbeitsunfähigkeit

Die Autorinnen und Autoren führten die Berechnungen anhand der Krankheitsbilder Depression, Angststörung und Essstörung bei Kindern und Jugendlichen durch, verbunden mit zusätzlichen Gesundheitskosten sowie Kosten durch spätere Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit. Die Basis für diese Analysen bildeten systematische Studienauswertungen zu psychosozialen Belastungen, Kindeswohlgefährdung und Kostenfolgen im Kontext der Pandemie. Die Herausforderung dabei sei gewesen, dass entsprechende Daten noch nicht oder nicht in ausreichender Menge und Qualität vorlägen. Gleichzeitig sähe man dringenden Handlungsbedarf: „Im Sinne einer ausgleichenden Generationengerechtigkeit sollten langanhaltende Belastungen, die durch diese Krankheitsbilder entstehen, möglichst frühzeitig vermieden werden“, so Professor Andreas Jud von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Ulm. Zwar gebe es bei Prognosen stets Unwägbarkeiten, doch man könne nicht auf präzise Zahlen warten, die erst in 10 oder 20 Jahren vorliegen werden, denn dann sei es zu spät zu handeln.

Modellierung der Folgekosten

  • 32,3 Millionen Euro Gesundheitskosten Kinder und Jugendlicher bei der Annahme, dass 25 Prozent der zusätzlichen Neuerkrankungen pandemiebedingt in den Jahren 2020 und 2021 aufgetreten sind (100 Prozent der Neuerkrankungen: 129,3 Millionen Euro)
  • 161,7 Millionen Euro Gesundheitskosten im Erwachsenenalter pro Jahr bei gleichbleibender Transitionsrate (Anteil derjenigen, die im Erwachsenenalter weiterhin unter dem Krankheitsbild aus der Kindheit/Jugend leiden) wie vor der Pandemie (30 Prozent höhere Transitionsrate: 328 Millionen Euro)
  • 2,1 bis 4,1 Milliarden Euro Kosten durch Arbeitsunfähigkeit im Erwachsenenalter pro Jahr durch den Ausfall an Bruttowertschöpfung
  • 553,1 Millionen bis 1,2 Milliarden Euro Kosten durch Arbeitslosigkeit im Erwachsenenalter aufgrund der drei ausgewählten psychischen Krankheitsbilder

Stärken, vorsorgen und intervenieren

Die Expertinnen und Experten leiten aus den erwarteten Folgekosten drei Handlungsansätze ab: Infrastrukturen in den Bereichen Gesundheit und Soziales müssten gestärkt und besser vernetzt werden, um psychosoziale Probleme zu erkennen. Zusätzlich sei es wichtig mehr vorsorgende Untersuchungen bei Jugendlichen zur Früherkennung durchzuführen. Außerdem müssten intervenierende Angebote ausgebaut werden, um rechtzeitige therapeutische Hilfe zur Verbesserung der psychischen Gesundheit leisten zu können. In ihrem Fazit weisen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler außerdem darauf hin, dass die psychosozialen Belastungen in der Pandemie vor allem jene Kinder und Jugendlichen und ihre Familien trafen, die bereits zuvor belastet waren.

Quelle: Universität Ulm vom 6. Juli 2023